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«Wer Andere aufrichtet, wird selbst aufgerichtet»


Bischof Thomas sagt als erstes, dass man es in der koptischen Kirche nicht gewohnt ist, von sich selbst zu erzählen. Es ist Gott, der einen Weg mit uns geht, und man will von Gott erzählen. Dass es seine Geschichte ist, die er mit uns teilt, ändert nichts daran, dass es im Tiefsten Gottes Geschichte ist.


Bischof Thomas erzählt, wie er als junger Mann Mönch wurde und in ein Kloster eintrat. Noch bei seinem Eintritt sagte der Abt zu ihm: «In vier oder fünf Jahren wird der Papst dich rufen und dich zum Bischof machen.» Der frischgebackene Mönch ging in ein abgelegenes Kloster in Oberägypten, wo er sich einigermassen ausser Reichweite der Kirche wusste. Von dort aus wurde er in den Kongo gerufen. Dann wieder zurück nach Ägypten, ohne zu wissen, dass nun nun tatsächlich die Berufung zum Bischof auf ihn wartete. Er hatte kein ‹Ja› dazu. Da hörte er ein Reden in sich, das nicht von ihm selbst kam. «Die Hand des Bischofs ist nicht die Hand, die sich auf andere legt und über sie herrscht. Es ist die Hand, die dem Anderen aufhilft und ihn hochhebt.» Die Berufung, Menschen aufzurichten (= «to lift them up») war sein Ruf ins Bischofsamt. Am folgenden Tag wurde er ordiniert.


Umeinander wissen und aufeinander hören

Bischof Thomas meint, dass man sich niederknien muss und den Puls der Leute fühlen muss. Man muss bei ihnen sein und hören, was sie bewegt. Anders ist es nicht möglich, sie aufzurichten. Es ist auch nie die eigene Kraft, die Menschen aufrichtet. Es ist immer und ausschliesslich Gottes Kraft, die das tut. Wer andere aufrichtet, wird selbst aufgerichtet. Es geht gar nicht anders.


Das «Lifting-up-people» beginnt also mit Gemeinschaft, mit Community. Damit, dass man beieinander ist und umeinander weiss. Die Gemeinschaft darf nicht zu harmonisch oder homogen sein. Denn auch Jesus hat nicht die Harmonie gesucht, sondern war umgeben von unterschiedlichen Menschen. Bischof Thomas sagt, dass er die Gemeinschaft spüren möchte, die Jesus gelebt hat. Darum leben in Anaphora Zölibatäre und Familien; Menschen aus der Ostkirche und aus dem Westen. Sie teilen das Konzept, «beieinander zu sein», ohne einander in den «Rahmen» (Frames), zu sehen, die wir normalerweise mitbringen (Sieh an, ein Mönch. Der muss so und so sein. Oder: Sieh an, eine Deutsche, die muss so und so sein.) Bischof Thomas nennt das: «Bridging the gap between cultures.» Es sind Rahmen, in denen wir uns normalerweise wahrnehmen. Jesus hat diese Rahmen zerbrochen, er ging hin zu allen Menschen.


Wir sitzen an einem Tisch

Es gibt in Anaphora keinen extra Platz für die Armen, an dem man ihnen Gutes tut. Sie sind an denselben Tisch geladen, an dem auch die Andern, die Reichen sitzen. Es gibt nur einen Tisch, eine Gemeinschaft. Hier erzählt Bischof Thomas von dem Erlebnis, dass er als neunjähriger Junge hatte: Wie seine Grossmutter zusammen mit anderen Frauen für die Armen sorgte. Sie hatte einen extra Platz auf den Stufen ihres Hauses eingerichtet. Der kleine Thomas wollte wissen, warum sie als Familie nicht am selben Tisch mit den Armen sitzen? Er selbst ging zur Mittagszeit hinaus und freundete sich mit einem der Armen an, mit Garwagi. Ich habe auf den DIE ZEIT Artikel von Jörg Lau vom November 2012 hingewiesen. Da erzählt Bischof Thomas die ganze Geschichte. Als Garwagi nicht mehr bei der Mittagsspeisung seiner Grossmutter auftauchte, ging Thomas los und begann nach ihm zu suchen. Er fragte in den Kirchen, wer Garwagi gesehen hätte. Die Leute dort und auch die Priester hätten aber immer nur nach seinen Eltern und Grosseltern gefragt. Wie es denen denn ginge. An einen Garwagi konnte sich keiner erinnern. Nach ihm hat keiner gefragt.


Der Neunjährige hatte gemerkt, dass Garwagi anders von den Menschen geredet hat, als es die Priester tun. Warum reden sie nicht wie er? Warum berühren die Priester nicht das wirkliche Leben? Das ist eine Frage, die er heute noch hat.


««Dieser Mann hat mich gelehrt,

die Kleinen wert zu schätzen,

die Türen für Garwargi zu öffnen.

Jesus konnte den Menschen zuhören:

Nicht über religiöse Dinge, sondern

über ihr eigenes normales Leben.»


Keine Unterscheidung in Gebende und Nehmende

In Anaphora trainieren sie Leaders, wie sie menschlich (= «human») sein können, bevor sie Theologen werden. «We are preparing actors of change.» Menschen müssen fähig werden, mit andern gleichwertig zu sein. Nicht in oben und unten zu unterscheiden. Bischof Thomas sagt, dass sie Menschen auch nicht auf ihren Nutzen hin anschauen würden, den sie für die Mönchsgemeinchaft und für Anaphora haben. Wir brauchen keine «Donators», keine Menschen, die uns und unser Anliegen finanzieren. Gott ist der einzige, von dem wir etwas entgegen nehmen. Wir bitten Gott und wir nehmen entgegen, was uns von ihm her zukommt.


Wichtig für das Leben in Anaphora ist es, Menschen zur Bildung zu verhelfen. Sie von «Iliteracy» zur «University» zu bringen. Menschen sind nicht iliterate, weil sie dumm sind. Sondern weil sie in jungem Alter gebraucht wurden, um ihre Familie zu ernähren. Bischof Thomas sagt: «Es ist unsere Freude, die jungen Menschen aufzurichten!»


Das sind sehr konkrete Programm, die Anaphora durchführt. Für Jungen, die einige Monate bei ihnen mitgelebt haben, bauen sie ein Zentrum in Oberägypten. Wo die Jungen in regelmässigen Abständen weiter begleitet werden. Wo sie zu essen finden und Raum zum Lernen bekommen. Denn diesen Raum haben sie Zuhause auf ihren Dörfern, in ihren Familien nicht.


Im ersten Interview hatte mit Bischop Thomas gesagt, dass die koptische Kirche die Entwicklung des Lebens voranbringt. Sie will das «Gesicht Jesu» sein in der Zeit und in den Umständen, in denen die Menschen jetzt leben.


Das sind einige Sätze, die aus dem Impuls von Bishop Thomas herausgepickt habe. Nun noch ein paar Fotos von Anaphora. Schön ist, dass man allen Häusern auf's Dach steigen kann. Das grosse Haus oben links ist das Haupthaus, wo im Erdgeschoss gegessen wird und wo auf allen Etagen - und auf dem Dach - Orte zum Reden und sich Versammeln sind.



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