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Beten in der Wüste

Aktualisiert: 22. Nov. 2018


Wir sind alle ganz glücklich in Anaphora, dem Einkehr- und Begegnungszentrum der koptischen Kirche. Das Gelände ist weitläufig, trotz des Wüstensands grün, überall sind Matten und Stühle, damit die Gäste miteinander sitzen und Zeit verbringen können. Es geht hier sehr persönlich zu. So etwas wie eine Rezeption gibt es zum Beispiel nicht. Die Mönche und Schwestern arbeiten auf dem Gelände und man kann sie bei Bedarf fragen. Ansonsten nimmt man sich selbst, was man braucht. Die Mönche und Schwestern setzen sich auch zu den Gästen und reden mit ihnen.

Gestern hat uns Abba Antonius über das Gelände von Anaphora geführt. Auf dem Foto links sehen Sie ihn mit Thomas Dallendörfer. Thomas ist Pfarrkollege aus Niedersachsen - und spricht arabisch!

Heute waren wir auf den Spuren der Wüstenväter unterwegs. Wir haben drei Klöster in der sketischen Wüste besucht, die entstanden sind, weil im 3. und 4. Jahrhundert Christen in die Wüste gezogen sind.


Die Wüstenväter haben ihre Städte und Dörfer verlassen, weil sie das gebraucht haben, um Gott überhaupt noch begegnen zu können! Thomas Merton - einer der bedeutenden Söhne Bernhards von Clairvaux aus dem 20. Jahrhundert - beschrieb den Vorgang des In-die-Wüste-Gehens in einem eindrücklichen Bild: „Sie sahen die Gesellschaft – und das bedeutete eine heidnische Gesellschaft, die beschränkt war durch den Horizont und die Aussichten eines Lebens ‚in dieser Welt‘ – als ein Schiffswrack an, von dem aus jeder einzelne um sein Leben schwimmen musste ... Diese Menschen glaubten daran, dass es schlicht und einfach eine Katastrophe war, sich treiben zu lassen und passiv die Grundsätze und Werte dessen zu akzeptieren, was sie als Gesellschaft kannten ... Und so bedeutet die Welt verlassen eigentlich, zu helfen, sie zu retten, indem man sich selbst rettet. Das ist der springende Punkt, und es ist ein wichtiger. Die koptischen Eremiten, die der Welt entflohen, als verließen sie ein Wrack, wollten ja nicht nur sich selbst retten. Sie wussten, dass sie so lange hilflos waren und den anderen nicht helfen konnten, wie sie in dem Wrack herum schwammen. Hatten sie aber einmal festen Boden unter den Füßen, war alles ganz anders. Dann hatten sie nicht nur die Kraft, sondern sogar die Pflicht, nach sich jetzt auch die ganze Welt in Sicherheit zu bringen“ (Thomas Merton, die Weisheit der Wüste, Frankfurt 1999, 7.26).


Weltverantwortung ist sowohl der Ausgangspunkt wie auch das Ziel der Sendung, in die Jesus uns als seine Kirche hinein nimmt. Gebet aber ist der Weg, der dazu gegangen werden muss, um zur Weltverantwortung überhaupt fähig zu sein. Gebet ist keine Methode. Es ist die erfahrene Begegnung mit Gott und damit verbunden die Klärung des eigenen Wesens.


Bruder Franziskus aus der Jesusbruderschaft Gnadenthal hat uns darauf hingewiesen, dass die ersten Mönche in die Wüste gezogen sind noch bevor die Kirche weltlich wurde. Dass das Gebet in der Einsamkeit immer auch eine Möglichkeit christlichen Lebens ist. Erst später, ab dem 4. Jahrhundert, ist dieser Weg von einzelnen Menschen zum Rettungsweg für die Kirche geworden.


Auf den Fotos unten sehen Sie das Makarios-Kloster. Es hat etwas festungsartiges, denn die Klöster wurden früher von Beduinen überfallen. Im Makarios-Kloster gibt es eine Kirche, in der der 49 Märtyrer gedacht wird, Mönche, die mit dem Schwert hingerichtet wurden. Das Märtyrertum spielt immer eine Rolle. Man ist stolz auf Menschen, die sich zum Glauben an Jesus bekennen und erinnert sich an sie.


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