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Es beginnt mit Vertrauen

Aktualisiert: 17. Okt. 2018


«Das wichtigste für einen Pfarrer ist, dass die Gemeinde ihm vertraut.» Das sagt Serge, ein Pfarrkollege in Raincy, einem Nachbarort von Aulnay-sous-Bois. Claudia (auf dem Foto mit Hélène, die im Kindergottesdienst mitarbeitet) und ich waren gestern zu Besuch bei Serge. Ich fand es wirklich unglaublich interessant. Das mit dem Vertrauen stimmt schon mal. Sobald es ‹tiefer› geht - und nicht nur um irgendwelche Absprachen -, sobald man etwas von sich selbst zeigt oder den Andern an Lebensentscheiden beteiligt, braucht es Vertrauen. Das haben die Gemeindemitglieder hier zueinander und zu ihrer Pastorin. Das war für mich - glaube ich - mit das Schönste, das in diesen Tagen sehen zu dürfen. Wie die Menschen hier miteinander umgehen.


Auf den Fotos unten sehen Sie Freunde von Mama Marie, die uns gestern eingeladen hat. Links oben ist ein Bild von Monsieur Jullien - den ich sehr schätzen gelernt habe. Wenn ich diese Bilder anschaue, bin ich dankbar dafür, dass auch Wolfgang und ich Menschen in Liestal gefunden haben, denen wir vertrauen und die uns vertrauen. Gleich am Anfang der Zeit in Liestal haben wir Freunde und Vertrauen gefunden. Das ist Hauptgrund, warum ich/ warum wir gerne in Liestal sind.



Serge hat mir gesagt, dass er es nicht sinnvoll findet, auf Einzelfragen zu antworten. Er würde mir lieber kurz seine Ekklesiologie vorstellen. Serge erzählt, dass er früher Pastor in einer Gemeinde war, deren Mitglieder eine gemeinsame Herkunft und Geschichte hatten. Die Gemeinde damals hatte die Frage, wie sie Menschen ‹hinein› bekommen können in ihre Kirche. Wer hinein wollte, musste mit einer ganzen Menge Dinge ‹einverstanden› sein. Für viele gäbe es auch gar keinen Grund, in eine Kirche - die Organisation - hinein zu gehen. Gute Musik, Engagement, Freunde, anspruchsvolle Gespräche usw. findet man genauso gut ausserhalb der Kirche. Serge spricht von unsichtbaren ‹Mauern›, die die Gemeinde um sich herum aufgerichtet hat.

Dann erzählt Serge, sei er in die Gemeinde von Raincy gekommen. Diese Gemeinde sei im Umbruch gewesen. Da kamen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Geschichte in den Gottesdienst. Sie hatten keine gemeinsamen Wurzeln. Serge sagt, dass er als Pastor nichts anderes tun würde, als den Menschen, die kommen, zuzuhören, sie ein Stück ihres Weges zu begleiten und sie aneinander zu verweisen. Er sage ihnen, dass sie sich selbst - ihre Spiritualität, ihr Gebet - ernst nehmen sollen. Und wenn sie es brauchen, dann sollen sie sich Menschen suchen in der Gemeinde, mit denen sie das teilen können. Mit denen sie beten, reden, Bibel lesen können.


Das Bild, das Serge von der Kirche hat, ist das einer Weggemeinschaft. Eine Weggemeinschaft

hat keine Mauern, keine Grenzen nach aussen hin. Menschen können sich anschliessen und mitgehen und Gemeinschaft mit Gott und miteinander finden. Sie selbst entdecken, wo sie ‹stehen› und was sie brauchen. Kirche prioritär als ‹Weggemeinschaft› anzusehen, ist mir natürlich vertraut; das ist der Gegenstand meiner Dissertation. Im Frühjahr 2019 erscheint von mir ein Taschenbuch über die Kirche als Weggemeinschaft im Neufeld Verlag :-) Ich sehe zu, dass ich verschriftliche, was Serge erzählt hat: es war sehr lebensnah. Und toll, mal einen Pastor zu treffen, der sich nicht in Einzelfragen verliert, sondern in 15 Minuten die Grundzüge seines Gemeindeverständnisses darlegen kann.


Serge findet Fragen wie die nach der Zahl der Gottesdienstbesucher/innen irrelevant. Er hat mir trotzdem geantwortet. Sie sind etwa 300 Gemeindemitglieder und an normalen Sonntagen zwischen 60 und 80 Menschen im Gottesdienst. Eine «kleine Gemeinde», hat er im Pfarrkapitel gestern gesagt. 😳

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